Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 30.11.1916 - 8.12.1916
Warum wird davon mein sinnlich ästhe=
tisches Gefühl jetzt gar nicht mehr be=
rührt? Können Sie mir das sagen? )
Sie werden sich wohl denken, daß das
alles ungemein einfach ist u. daß man
alles was ich hier auf 4 Seiten geschrie=
ben, mit 4 Worten klar sagen kann,
wenn man einen nicht mit seinem
pedantischen Analysieren u. Sezieren
langweilen will. Und Sie haben recht.
1. XII Aber Sie haben tausendmal unrecht,
wenn Sie mir mit kaltberechneter(?)
Grausamkeit schreiben, daß Sie
als kinderlose Frau nur eine halbe
Frau, leicht entbehrlich, leicht ersetz=
bar sind u. Ihnen deshalb das Scheiden
von dieser Welt viel leichter wird.
Warum? Damit Ihr Gemahl sich eine
andere Frau nehmen kann, die
ihm vielleicht Kinder gibt, die der
Fluch seines Lebens werden können.
Fragen Sie doch Ihren Mann, ob er diesen
Wunsch hat. Im Bejahungsfalle ver=
pflichte ich mich, Ihnen gleich einige
Gramm Cyankali zu senden, wo=
mit Sie in less than no time ganz schmerz=
los in's lichte Reich des Jenseits gelangen
können. Auf Ehrenwort!
Ich bin wahrhaft empört. – Der Bekann=
te, der Ihnen die Schrift gab, muß
ein netter Mann sein!
Es gibt wohl Ehen, für die Kinderlo-
sigkeit ein Unglück bedeutet, d. h. auch
schon der Mangel eines männlichen
) Finden Sie vielleicht auf Seite 16 des Buches „D. gen. M.“ eine Er=
klärung? Etwa: Zuerst liebte ich Sie, weil Sie schön sind. – Dann aber
bleiben Sie mir immer schön, weil ich Sie liebe.–