Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 20.10.1916
u. er wird glücklich sein, auf jede Fra=
ge mit voller sincerity zu antworten.
21.X. Als Sie am 4. Oktober die erste Epistel
schrieben, oder einige Stunden früher,
war ich bei der Messe. 3/4 Stunden wa=
ren alle meine Gedanken bei Ihnen
u. erörterten die Frage, ob die Sache
anderst stünde, wenn ich mit den Erfah=
rungen der letzten 2 Monate die
ganze Zeit, von Ihrem Besuch am 24.
Juli an, noch einmal durchleben könn=
te, ob ich anderst hätte handeln können
oder sollen, ob ich irgend etwas vom
Erlebten auslöschen möchte, irgend
etwas bereue. Spinoza hätte mir
ohne zu wissen, um was es sich handle,
ohneweiters die Antwort sagen können.
„Nein! Alles hat sich mit Notwendigkeit
so ergeben.“ Aber ich forschte im einzel=
nen nach, wie alles Schritt für Schritt so
gekommen u. nicht anderst hat kommen
können. Unmöglich war es mir, als
Sie erschienen, der Offenbarung des
holden Wunders nicht alle Pforten
meines verödeten Geistes, meiner
vereinsamten Seele, meines vertrock=
neten Herzens weit zu öffnen. Un=
möglich, nicht gleich im Geiste u. dann
allmälig klar u. wirklich zu sehen:
den Reichtum u. die Tiefe Ihres Geistes,
das Echte, Edle, Verwandte Ihrer Seele,
die Güte u. Wärme Ihres Herzens,
die bezaubernde Harmonie Ihres
ganzen Wesens. Unmöglich, sobald
ich dies Alles erkannt hatte, Ihnen